Würde ich Sie bitten einen Stift und einen Zettel zur Hand zu nehmen und alles, was Ihnen zum Thema Aggression einfällt aufzuschreiben, wären Ihre Assoziationen dazu vermutlich denen einer Befragung von Passanten in einer Fußgängerzone sehr ähnlich:
Gewalt, Zerstörung, außer Kontrolle sein, Angst haben, Bedrohung, Streit...
Dies ist aber nur eine Seite. Leicht vergessen wir die positive Seite der Aggression zu betrachten, besetzen Aggression stets mit Negativem.
Das Wort Aggression aber stammt vom lateinischen „aggredi“ ab, das „herangehen, angreifen, im Sinne von berühren, sich bemächtigen“ bedeutet - und ursprünglich wertfrei und neutral gemeint ist und eine menschliche Antriebsenergie benennt.
Entwicklung, Tatkraft, Mut und Engagement, sowie Zielstrebigkeit, Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit sich abzugrenzen, sind Eigenschaften die der positiven Seite der Aggression zuzuschreiben sind.
Aus Furcht, ausgegrenzt, nicht mehr gemocht, geliebt zu werden, fällt es vielen von uns schwer sich heftige Gefühle wie Wut, Zorn, Ärger einzugestehen, mit ihnen umzugehen und sie gar zu zeigen. Solche Gefühle scheinen zu widersprüchlich, zu belastend und zerstörerisch für eine gute Beziehung zu sein. Schon als kleines Kind lernen wir, diese „aggressiven Gefühle“ zu unterdrücken.
Unsere Verhaltensmuster im Umgang mit diesen Gefühlen sind unterschiedlich. Rückzug, Anpassung, explosionsartige Ausbrüche, indirekte Aggression, Selbsthass, Klein- Werden, Autoaggression, bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen.
Wut an sich ist aber ein gesundes Lebensgefühl. Wut hat immer einen Grund, kann als Signal verstanden werden. Sie weist uns immer darauf hin, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie taucht auf, wenn uns etwas zu viel ist, wir überfordert sind, unsere Grenzen überschritten werden. Sie verdient deshalb unsere volle Aufmerksamkeit und Beachtung. Aggression bedeutet auch Nein zu sagen, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen, statt in (beleidigten) Rückzug zu gehen. Wird sie ständig unterdrückt oder nicht wahrgenommen bleibt das nicht ohne Folgen - für uns selbst und unsere Beziehungen. Der Kontakt zu unserer Aggression ist von grundlegender Bedeutung für ein lebendiges, selbstbestimmtes und erfülltes Leben. Denn wirkliche Harmonie, innere wie äußere, entsteht nur dort, wo Konflikten begegnet wird und diese bewältigt werden.
Damit Wut wieder zu einer positiven Kraft und Aggression auch als Lebensenergie verstanden wird, ist es wichtig sie zu entdecken, sie zu fühlen und in einem geschützten Raum ritualisiert zum Ausdruck zu bringen - einen neuen, gesunden Umgang mit ihr zu entwickeln. Wut ist ein kraftvolles Gefühl und es gilt achtsam und bewusst mit ihr umzugehen und sie nicht blind auszuagieren.
Das Anerkennen der Wut mit dem Bewusstsein, dass sie genauso wie die Liebe, die Freude, die Angst und die Trauer ein Teil der Gefühlwelt eines jeden von uns ist und nach Ausdruck verlangt, führt zur Ganzheit und hat positive Konsequenzen:
Ein Mehr an • Lebensenergie, Lebenslust und Lebensfreude
Ein Mehr an • Mut, zu sich zu stehen, zu seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten
Ein Mehr an • ehrlicheren und lebendigeren Beziehungen
Ein Mehr an • schöpferischer Energie, um das Leben positiv zu verändern